„Wir haben wegen der vielen unbesetzten Stellen wenig Vertrauen in die Personalführung des Bürgermeisters. Wir könnten uns bei Klimaschutz und Mobilitätswende mehr vorstellen, setzen uns dafür ein, wenigstens die beschlossenen Ideen und Maßnahmen zügig umzusetzen. Wir kritisieren, dass es immer weniger Sozialwohnungen gibt.“
Dies waren zentrale Aussagen unseres Fraktionsvorsitzenden Norbert Ricking der Haushaltsrede zur Beratung des Haushalts 2023 im Rat der Stadt.
Hier die Rede im Wortlaut:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der vorliegende Haushaltsentwurf schließt mit einem Fehlbetrag von gut 13 Mio. Euro. Welche Bedeutung hat eine solche Zahl für unsere Abstimmungsverhalten nachher, für die Entwicklung unserer Stadt oder zumindest für die Entwicklung der städtischen Finanzen?
Um mich dieser Frage zu nähern, habe ich mir die HH-Pläne und die Jahresergebnisse der letzten 15 Jahre angeschaut. Es waren Jahre, in denen wir schon oft – eigentlich fast immer – ein Defizit erwartet haben. Es waren Jahre, in denen der Kämmerer immer darauf hingewiesen hat, dass wir ein strukturelles Finanzproblem haben, also sparen müssen. Es waren Jahre, in denen wir mit einer sehr geringen Ausnahme 2014 immer im Ergebnis besser rauskamen als wir geplant hatten, zuletzt 2021 mit einer Ergebnisverbesserung von über 26 Mio. und für 2022 ist ja eine Verbesserung von wiederum über 20 Mio. avisiert. Die Gründe für die Verbesserungen scheinen durchaus komplex, sodass der Kämmerer oft von sogenannten Einmaleffekten sprechen konnte. Damit wir uns richtig verstehen, ich sehe diese Entwicklung durchaus auch als Argument für die gute und solide Arbeit des Kämmerers und seiner Mitarbeitenden und möchte dafür an dieser Stelle ausdrücklich den Dank der SPD-Fraktion an die Kämmerei vorbringen.
Wir müssen feststellen: Die Einnahmeseite ist nicht solide planbar: Die größte Einnahmeposition, die Gewerbesteuer, die in Gronau durchaus nicht mehr nur von einem Unternehmen geprägt ist, stellt den größten Unsicherheitsfaktor dar. Jedes Jahr weicht das Ergebnis am Ende in einer Höhe von mehreren Millionen von der Planung ab, meist mehr.
Das macht eine solide Finanzplanung unmöglich. Ich bin nach 15 Jahren intensiver Beobachtung der kommunalen Finanzsituation mittlerweile der Meinung, dass dies ein strukturelles Problem ist, was auf Landesebene geändert werden muss. Denn auch eine noch so wirtschaftsfreundliche Kommunalpolitik ist Unwägbarkeiten ausgeliefert, die auf Landesebene viel leichter ausgeglichen werden könnten.
Mit anderen Worten, so lange die Finanzierung der Stadt auf der Basis dieser Landesregelungen erfolgt, lohnt es sich kaum, über diverse HH-Posten zu streiten, ob wir am Ende mit dem Geld auskommen, hängt von vielen wirtschaftlichen Faktoren ab, die wir fast nicht beeinflussen können.
Und das Schlimme ist: Auch bei der Ausgabenseite lässt uns das Land weiterhin in steigendem Maße im Stich. Ich erwähne hier nur den Zuschuss, den die Stadt 2023 für den Bereich der Kitas einplanen muss. Er stieg seit 2015 von 7,9 Mio. auch in diesem Jahr weiter an, auf nunmehr geplante 16,4 Mio. Euro
Hier wird jedes Konnexitätsprinzip mit Füßen getreten und das Land vernachlässigt seine Hausaufgaben weiterhin sträflich.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die SPD Fraktion steht hinter jedem Euro, der in diesem HH-Plan für Kinder und Jugendlich ausgegeben werden soll. Das gilt für die Kitas genauso wie für die enormen Investitionen, die wir weiterhin für unsere Schulen vorsehen.
Das gilt für die Realschule und das Gymnasium, die Gesamtschulen und die Grundschulen. Nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Familien ist dabei der Ausbau der Ganztagsangebote (Stichwort OGS-Rechtsanspruch) seit vielen Jahren ein Herzensanliegen der Gronauer SPD. Allein für die Chancengleichheit der Mütter ist dies wichtig und daher freuen wir uns, dass wir mit diesem HH auch eine Stelle für die Koordination des OGS-Ausbaus schaffen.
Nun muss ich unserem Blick – wie im Vorjahr – auf die Personalsituation lenken:
Wenn der Bürgermeister der Stadt Gronau neben dem Wahrnehmen von repräsentativen Aufgaben eine Kernaufgabe hat, dann ist das die Personalpolitik. Das bedeutet zwei Dinge: Das für die Erfüllung der städtischen Aufgaben erforderliche Personal muss in ausreichendem Maße vorhanden sein und das vorhandene Personal muss grundsätzlich zufrieden sein, dann bleibt es auch beim Arbeitgeber Stadt Gronau. Die Stadt Gronau kommt mir dabei vor wie ein Schiff, das im Nebel fährt - und der Kapitän sagt: Alles klar, wir fahren auf Sicht. Gronau ahoi! Die für das Schiff Stadt Gronau gesetzten Positionslampen scheinen dabei so schwach zu leuchten, dass kaum jemand dort anheuern will. Um die Menschen an Bord zu behalten, die leider immer wieder das Schiff oft unangemeldet verlassen, wäre eine zeitnah durchzuführende Fluktuationsanalyse genau der richtige Weg, um zu erkennen, warum es die Mitarbeiter nicht bei der Stadt Gronau hält. Leider konnten wir uns mit einem konkreten Antrag dazu zunächst nicht durchsetzen und
Weiterhin erleben wir es in unseren Sitzungen, wenn es um die Erledigung von Aufträgen, die Umsetzung von Beschlüssen usw. geht, dass die Verwaltungsleitung sinngemäß berichtet, man habe dies und das leider bisher gar nicht oder noch nicht geschafft, weil es gerade dort zu wenig Personal oder offene Stellen gebe.
Seit zwei Jahren bereitet uns dies zunehmend Sorge. Im letzten Jahr hatten wir im Rahmen der Beratung des Personalhaushaltes nicht den Eindruck, dass der BM den Ernst der Lage schon ausreichend erkannt oder in der Lage war, das Problem der nicht besetzten Stellen adäquat anzugehen. Daher habe ich in meiner HH-Rede 2022 deutlich gemacht, dass unser Vertrauen in die Personalführung des BM gegen Null tendierte.
Dann wurde uns Besserung gelobt, u.a. sollten wir regelmäßig Bericht erhalten und externe Hilfe sollte eingeholt werden. Die ersten Zwischenberichte zur Entwicklung der nicht besetzten Stellen ließen hoffen.
Als aber jetzt bei der vorletzten HFA-Sitzung die Verwaltungsleitung nicht einmal die aktuelle Zahl der nicht besetzten Stellen nennen wollte oder konnte und dies auch nach schriftlicher Aufforderung durch den Kollegen von Borczyskowski nicht geschah, war ich doch sprachlos und kann mir dies bis heute nicht erklären: Entweder ist der Ernst der Lage weiterhin nicht klar, oder ist es doch Unfähigkeit, ich weiß es einfach nicht….
Immerhin wurde die Zahl der unbesetzten Stellen dann ja letzte Woche endlich im HFA nachgereicht und mit einer Größenordnung von netto unter 30 kann man diese Momentaufnahme noch als akzeptabel ansehen. Darüber hinaus ist aber zu klären: Haben wir in der Gronauer Verwaltung eine Personalfluktuation wie überall, oder gibt es doch an der ein oder anderen Stelle Gründe für die Personalabwanderung, an der man etwas ändern könnte. Eigentlich können wir uns gar nicht leisten, diese Gründe nicht zu recherchieren, daher unser Antrag auf eine Fluktuationsanalyse. Wir hoffen jetzt, dass die Ergebnisse der KGST-Untersuchung auch uns endlich schnell vorgelegt werden, damit wir ggf. notwendige Schlüsse ziehen bzw. diese Fluktuationsanalyse auf den Weg bringen können.
Einen weiteren Punkt möchte ich kurz anreißen:
Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt in Gronau weiterhin dramatisch, wie die WN letzte Woche berichtete. Der Bedarf steigt dahingegen. Ein Missverhältnis, auf das die SPD seit Jahren hinweist, leider ohne wesentlichen Erfolg, weil die Wohnbaulandstrategie nur sehr langsam Wirkung zeigt.
Nun zum Thema Klimaschutz: Hier eine aktuelle – aber schlechte Nachricht: Aus dem Bauausschuss und dem letzten HFA:
Nicht mal bei unseren eigenen Bauvorhaben wollen wir uns für klimaschonende und nachhaltige Standards einsetzen. So haben beide Ausschüsse auf Antrag der CDU, gegen den Vorschlag der Verwaltung mit großer Mehrheit zugestimmt, dass wir in der Regel keinerlei Umweltstandards anstreben wollen, die eine Förderung vorsehen. - Sehr schade…. Insbesondere, wenn man bedenkt, wie wichtig es für uns und unsere Kinder ist, den Klimawandel und seine Auswirkungen für die Stadt immer vor Augen zu haben und gegenzusteuern.
Die Stadtklimaanalyse hat der Stadt im vergangenen Herbst zwar bescheinigt, dass die bioklimatische Situation insgesamt noch recht günstig ist. „Bereits heute sind allerdings Teile des Stadtgebietes von Gronau durch Wärmeinseleffekte, verminderte Durchlüftung und mangelnde nächtliche Abkühlung gekennzeichnet. Die in der Klimaanalysekarte ausgewiesenen Luftleitbahnen und bioklimatischen Ausgleichsräume sind aufgrund ihrer Bedeutung für die klimatische Situation im Bereich der Hitzebelastungsgebiete unbedingt zu erhalten“, heißt es in der Vorlage.
Dies gilt es zu berücksichtigen bei der Planung neuer Wohngebiete. So sollte die Versiegelung von weiteren Flächen im Außenbereich und im Bereich der Luftleitbahnen möglichst vermieden werden. Bei der Innenverdichtung gilt es darauf zu achten, dass dies klimasensibel geschieht – wohl wissend, dass es dabei zu Konflikten kommen kann zu der Notwendigkeit zur Schaffung von dringend notwendigem neuem Wohnraum. Ziel sollte es aber immer sein, stark durch grünte Wohngebiete mit einer aufgelockerten Bebauungsstruktur, die kühle Freilandluft tief eindringen lassen, zu schaffen.
Beschattung, Begrünung, kühle Plätze zur Erholung, bewegtes Wasser zur Abkühlung sollten bei der Stadtplanung ein Muss sein. Die Entsiegelung von Flächen und die Schaffung zusätzlichen Grüns in der Innenstadt, zum Beispiel auf dem Bahnhofsvorplatz und dem LAGA-Gelände, muss das Ziel sein.
Im Sommer haben wir im Rat nach langen Vorberatungen ein Klimaschutzkonzept für Gronau beschlossen. Wir von der SPD hätten uns gewünscht, die Messlatte höher zu legen. Denn während auf Bundesebene die Reduktion der Treibhausemissionen bis 2030 um 65 % angestrebt wird, wollen wir uns in Gronau mit einer Minderung von nur 27% bis 2030 zufriedengeben.
Aber nichtsdestotrotz! Gerade deshalb gilt es wenigstens den beschlossenen Katalog mit insgesamt 44 Maßnahmen zügig anzupacken und umzusetzen, um auch unter Einbeziehung zu erwartender Änderungen der Rahmenbedingen auf Landes- und Bundesebene noch drauf satteln zu können.
Einiges wurde – wie dem im letzten MUK vorgelegten Klimaschutzbericht zu entnehmen ist – auch bereits angestoßen. Andererseits ist jetzt an vielen Stellen wieder ein Stillstand eingetreten, da die volle Stelle im Bereich Klimaschutz und auch die neu geschaffene halbe Stelle sowie auch die Stelle im Umweltmanagement aktuell unbesetzt sind. Wir erwarten daher von der Verwaltung auch hier, alles zu tun, damit diese Stellen kurzfristig besetzt werden können und der Klimaschutz in Gronau nicht auf der Stelle tritt.
Beschlossen wurde im Dezember auch das 190 Seiten umfassende Mobilitätskonzept mit dem Ziel durch ein verändertes Mobilitätsverhalten zum Klimaschutz beizutragen, aber auch die Lebensqualität zu verbessern. Auch hier hatten wir von der SPD etwas mehr erwartet: statt eines „Warenhauskatalogs“ mit rund 70 Maßnahmenvorschlägen hätten wir uns einen konkreten Handlungsplan mit Angaben, wann welche Maßnahme umgesetzt werden soll, gewünscht. Nur so wäre es möglich gewesen, auch konkreter zu ermitteln, welchen Beitrag diese Maßnahmen in bestimmten Zeiträumen zur Minderung der Treibhausgasen beitragen können.
Immerhin konnten wir erfreut feststellen, dass im vorliegenden Haushaltsentwurf Gelder für eine erfreulich große Zahl an Projekten eingeplant ist – sei es für die bereits im März 2021 von der SPD beantragte Verlängerung der Fahrradstraße Eschweg bis ins Stadtzentrum, die Schaffung der Veloroute auf der Trasse der alten B 54 und weiterer Fahrradstraßen, aber auch die Optimierung von Querungshilfen, Aufwertung von Gehwegverbindungen und die Schaffung von Fahrradabstellanlagen.
Verbesserungen bei häufig benutzten, oft zu schmalen, zugestellten Radverkehrsverbindungen mit zahlreichen Absenkungen und schlechter Oberflächenqualität sind aber nur wenig Sicht. Genannt sein sollen hier nur als Beispiele mit dringendem Handlungsbedarf die Enscheder Straße vom Kreisverkehr am K+K-Markt bis zur Grenze, die Kaiserstiege oder der Alte Postweg. Das Mobilitätskonzept schlägt für die Optimierung des vorhandenen Radwegenetzes vor, 500.000 € jährlich im Haushalt zur Verfügung zu stellen.
Im letzten MUK wurde unser entsprechender Antrag bis zum Jahresende zurückgestellt – wiederum mit Hinweis auf die enge Personallage.
Jetzt noch einige Punkte in aller Kürze:
Wir freuen uns über die endlich beschlossene Renovierung der Sporthallen in Epe, auch der Kunstrasenplatz für die Menschen im Stadtwesten ist uns weiterhin wichtig, unabhängig von unnötigen Streitigkeiten der Vereine. Wir brauchen dort auf jeden Fall ein gutes Angebot auf der Platzanlage.
Wir freuen uns über die Ausweitung der allgemeinen Sozialberatung.
Wir freuen uns, darüber, dass es endlich zu gelingen scheint, Arbeitskräfte am Haus der Begegnung aus einem prekären Beschäftigungsverhältnis in ein unbefristetes städtisches Anstellungsverhältnis zu überführen.
Wir freuen uns darüber, dass durch die Finanzentwicklung der letzten beiden Jahre, der von der Verwaltung vorgesehene Anstieg der Steuerbelastung für die BürgerInnen doch nicht in dem Maß nötig ist.
Nebenbei bemerkt freuen wir uns auch über die gute Arbeit unserer städtischen Gesellschaften, z.B. dass die Stadtwerke im Vergleich zu anderen unsere Bürgerinnen bei den Strom- und Gaspreisen trotz der weltweiten Energiekrise mit moderaten Preisen beliefern.
Wir freuen uns aber auch über die Vielfalt in unserer Stadt, die Vielfalt an Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren und unsere Stadt lebenswerter machen: Im Sport und in der Musik, mit Jugendlichen und Senioren oder anderswo. Diesen Ehrenamtlichen danke ich an dieser Stelle für ihren Einsatz ebenso wir den Mitarbeitenden der Verwaltung und der städtischen Gesellschaft für ihr großes Engagement!
Die Vielfalt spiegelt sich in Gronau weiterhin in besonderem Maße wider bei den Zuwanderungen: Seien wir einmal ehrlich: Wer hätte vor 2 oder 3 Jahren gedacht, dass wir es trotz einiger Unzulänglichkeiten schaffen, zusätzlich so viele ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen. … und zwar ohne Turnhallenbelegung.
Obwohl das Vertrauen, dass die Verwaltungsleitung das Personalproblem ernsthaft genug angeht, nur minimal ist, werden wir wegen der vielen guten Ansätze im Haushalt, die ich z.T. vorhin erwähnt habe, dem Haushalt zustimmen.